Quatschi, die Regenwaldbärin
Eines
Tages, als Quatschi mal wieder vom Spielen sehr müde war und gerade in ihre
Höhle wollte, hörte sie ein sehr merkwürdiges Geräusch im Regenwald Costa
Ricas. Sie war den ganzen Tag auf den Dschungelbäumen herumgeklettert, um
kleine Leguane zu ärgern. Früher hatte sie mal welche gejagt, um ein wenig
Geld für Tauschwaren zu verdienen, weil sie wußte, daß Leguanfleisch hier
bei den Menschen sehr beliebt war. Inzwischen waren die putzigen kleinen Echsen
zu ihren Freunden geworden, und sie machte sich nur noch einen Spaß mit ihnen.
Sie konnte sie einfach nicht mehr bei diesen Menschen abliefern. Überhaupt
hatte sie über Menschen in letzter Zeit nur sehr viel Schlechtes gehört. Daß
sie Bären schon seit Jahrhunderten Fallen stellten um an ihre Felle zu gelangen,
wußte sie. Aber sie war sehr vorsichtig und schnell, konnte davonlaufen und
auf Bäume klettern. Und sie dachte sich, laßt ihr mich in Frieden und ich
lasse euch in Frieden. So ernährte sie sich in letzter Zeit wieder nur von
den Früchten, die der Dschungel zu bieten hatte. Auf den Honig, den sie im
Tausch mit den Leguanen erhielt, verzichtete sie jetzt, obwohl sie sich oft
danach die Tatzen leckte.
Aber was war das für ein Geräusch in dem sonst so
stillen Dschungel, nur sonst manchmal vom Geschrei der Affen oder vom Krächzen
eines Tukans unterbrochen? Sie schlich ein wenig näher hin und konnte einige
dieser verhaßten Menschen sehen, die mit großen Maschinen dabei waren, Bäume
umzusägen. Sie wußte nicht, was das alles sollte. Plötzlich fiel ein großer
Urwaldriese mit lautem Krachen zu Boden und nur mit einem schnellen Satz konnte
Quatschi sich vor dem umfallenden Baum in Sicherheit bringen. Aus einiger
Entfernung beobachtete sie, wie noch viele dieser Bäume umstürzten.
Diese Nacht konnte Quatschi nicht einschlafen. Von
Ferne hörte sie immer wieder dieses Krachen und wußte: "Das kann nichts
Gutes bedeuten."
Am nächsten Morgen sah sie, daß dort, wo früher viele
Bäume standen, auf denen viele Affen ihren Schlafplatz gehabt hatten, einen
große Leere herrschte. Alles war wie ein riesiges großes Feld. Und in den
nächsten Tagen war es nicht anders. Immer gegen Abend, wenn es etwas kühler
wurde, hörte sie diese unheilvollen Geräusche und sie wurden immer lauter.
Das bedeutete, daß sie auch bald ihren Höhlenplatz erreichen würden.
Quatschi bekam Angst. Sie fühlte instinktiv, daß
sie etwas bedrohte. Aber es war kein anderes Tier, kein anderer Bär, der um
sein Revier kämpfte. Nein, es lag etwas Unaussprechliches in der Luft. Ihre
Eltern hatten ihr von vielen Gefahren erzählt, die im Dschungel auf eine kleine
Bärin lauern können, aber von diesen Maschinen hatten sie nie etwas erzählt.
Dann kam der Tag, an dem Quatschis Höhle zerstört
wurde. Niedergetrampelt von seltsamen großen Maschinen. Sie wußte nicht mehr,
wohin sie Zuflucht nehmen sollte. Weiter ins Innere des Dschungels zu gehen,
war unmöglich. Man hörte von allerlei schrecklichen Geschichten. Daß z.B.
niemals ein Bär von dort zurückgekehrt sein sollte. Erst viel später hörte sie,
daß die Menschen den Regenwald rodeten, um Profite zu machen. Aber davon ist
noch später die Rede.
Also entschloß sie sich zur Flucht. Sie hatte von
anderen Bären von einem Land gehört, in dem alle Bären zufrieden lebten. Es
sollte allerdings sehr weit weg sein. Zwar sollten die Bären weiß sein, und
nicht so dunkelbraun wie Quatschi, aber für alle, so hörte man gab es genug
Platz und genug zu Essen.
Damals war sich Quatschi noch nicht im klaren darüber,
wie weit ihr Weg zu den Eisbären sein würde und wieviele Abenteuer sie erwarten
würden, aber sie machte sich voller Hoffnung auf. Sie war früher oft ziemlich
einsam im Dschungel gewesen, jedenfalls hatte sie wenig Kontakt zu anderen
Bären gehabt, nur andere Urwaldbewohner hatten zu ihren Freunden gezählt.
Daher war sie sehr neugierig auf eine Gemeinschaft, wo viele Bären friedlich
miteinander auskamen.
Nachdem sie noch ein großes Fest für ihre Freunde,
die Leguane, Affen, und Kolibris veranstaltet hatte, machte sich Quatschi
eines Morgens im Frühjahr auf ihre große Reise. Sie hatte auch gehört, daß
es in anderen Gegenden der Erde nicht so oft regnete, und sie freute sich
auf sonnige Zeiten. Daß es auch kalt werden könnte, kam ihr damals nicht in
den Sinn. Aber sie hatte schon oft Depressionen gehabt, wenn es im Dschungel
mal wieder so endlos regnete und hatte es gehaßt, eine Regenwaldbärin zu sein.
Wieviel verlockender klang es da, ein Eisbär zu sein. Allerdings hatte sie
damals keine Ahnung, was Eis bedeutete. Sie hatte nur gehört, daß es lecker
schmecken sollte, und kleine Menschenkinder es so gerne mochten, wie sie selber
Honig fraß. Also mußte es etwas Tolles sein.
Dieser Morgen war so heiß, wie die Tage zuvor, als
sich Quatschi auf den Weg nach Norden machte. Schon bald ging es bergan, und
sie merkte, daß es etwas kühler wurde. Von einem Berg aus sah sie, was die
Menschen alles angerichtet hatten. Dort, wo schon ihre Großeltern ihre
Schlafplätze gehabt hatten, war jetzt nur noch ödes Land zu sehen, ohne Baum
und Strauch. Als sie weiter vorankam, sah sie auch abgebrannte Wälder, die noch
glimmten. Es war für sie ein sehr trauriger Anblick. Sie verstand das auch
alles nicht so richtig. Was konnte an einer kaputten Natur schon gut und
richtig sein.
Dann, nach mehreren Tagen, kam sie auf eine Weidefläche.
Sie traf dort Tiere, die sie noch nie gesehen hatte. Sie fragte: "Wer
seid Ihr und warum ist hier alles so kahl?". Die Rinder antworteten traurig,
daß sie erst seit kurzer Zeit hierher verschleppt worden seien und nicht wüßten,
was sie hier sollten. Bevor sie weiterreden konnten, kam ein Mensch und verscheuchte
Quatschi. Er sah recht ungemütlich aus mit seiner Flinte; daher verschwand
sie so schnell wie möglich.
In der nächsten Stadt machte sie erst einmal Halt.
Plötzlich sah sie ein großes leuchtendes Schild mit der Aufschrift: "Leckere
Hamburger aus biologisch gezüchteten Rindern". Obwohl sie im Dschungel
aufgewachsen war, hatten ihre Eltern darauf bestanden, daß sie Lesen lernte.
Darüber war sie jetzt sehr froh. Unglücklich war sie aber darüber, was sie
gerade gelesen hatte. Jetzt machte die Waldrodung und diese Tiere, die auf
den Weiden standen, einen Sinn. Also nur für diese verfressenen Menschen mußte
meine Höhle weichen und diese armen Rinder sehen auch einer schrecklichen
Zukunft entgegen, waren Quatschis Gedanken. "Ich muß dagegen etwas unternehmen",
dachte sie. Zunächst aber wollte sie zunächst ihr Ziel erreichen: Zu den Eisbären
gelangen. Vielleicht hatten die ja auch einen Rat.
Quatschi wanderte immer weiter Richtung
Norden.....